„Ich liege in einem kleinen Bett. Links und rechts neben mir sind Gitter.
Überall sind Gitter.
Die Zimmerdecke ist sehr weit weg.
Der Raum ist hell. Weiß.
Alle schreien – alle, alle schreien.
Nur ich bin ganz ruhig. Niemand kommt.“

Sophie Linz, geboren 1974, WK Berlin-Buch von 1975-1976/77.
Die Mutter wurde wegen versuchter Republikflucht in der Jugendstrafanstalt Dessau inhaftiert, der Vater nach West-Berlin ausgewiesen.

Erinnerungen – können sein: Bilder, (Klang)Farben, Geräusche, Gerüche, Gefühle.
Was davon erinnern wir aus vorsprachlicher Zeit. Wenn niemand bei uns war, der davon erzählen kann, was war.

Wir – sind zehn ehemalige Wochenkrippe-Kinder.
Den wenigsten von uns standen Dokumente, Fotos oder andere Informationen zur Verfügung,
die konkrete Auskunft über unsere prägendste Zeit geben könnten.
Wir haben uns auf die Suche begeben, den roten Faden aufzunehmen, der uns alle verbindet:
abgegeben worden zu sein.
Eine gemeinsame Suche nach dem Beginn, der bis in die Gegenwart reicht.

Wann war ich in welcher Wochenkrippe und, vor allem, wie lange. Das war der Ausgangspunkt.
Mit jeder einzelnen der acht Frauen sowie einem Mann reiste ich zu der einstigen Wochenkrippe. Dort führte ich Interviews mit ihnen – in der Situation der zumeist ersten Wiederbegegnung mit dem Ort. Es waren mitgebrachte Fragen, die ich stellte* und wurden so viele mehr, die sich aus unseren Gesprächen daraus ergaben.
Diese Orte habe ich nochmals aufgesucht. Die Gebäude selbst und dort gefundene Spuren fotografiert.

Anja Lehmann, auch sie eine Betroffene, fuhr zu den gegenwärtigen Wohnorten,
um alle – in ihnen heute vertrauter Umgebung – zu portraitieren.

Wesentliches Element der gemeinsamen Spurensuche war die individuelle Entwicklung von Collagen, deren Umsetzung mit künstlerisch-pädagogischer Unterstützung von Karla Sachse entstanden. Sie verbinden Fundstücke unserer Leben und übersetzen die Erinnerung visuell.

Die Interviews habe ich während der Entstehung der Collagen fort- und mit den Interviews an den Orten zusammengeführt.

 

Wir stehen für alle, die nicht mehr gezählt werden können.

Sophie Linz

 

  • * Die Fragen
  • Wann hast du erfahren, dass du in einer Wochenkrippe warst – durch wen oder wodurch?
  • Was ist deine erste Erinnerung – ein Bild, ein Gefühl, Geruch, Geräusch,
    eine Situation?
  • Wann wurde dir das erste Mal bewusst, dass diese Zeit mit dir heute zu tun hat?
  • Was denkst du, wie deine Zeit in der Wochenkrippe deine Beziehung zu deinem Kind beeinflusst hat?
  • Welche Frage würdest du gern deinen Eltern stellen, wenn du wüsstest,
    du bekommst eine Antwort?
  • Welche Wörter assoziierst du mit dem Begriff Wochenkrippe?